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Negative Strompreise

Lesezeit: 4 Minuten

Inhaltsverzeichnis

In den letzten Jahren haben sich die Energiemärkte weltweit stark verändert. Eine der faszinierendsten Entwicklungen ist das Phänomen der negativen Strompreise. Sie treten auf, wenn die Stromeinspeisung durch Wind oder Sonne höher ist als der Stromverbrauch. Wird Strom bei negativen Marktpreisen eingespeist, muss dafür bezahlt werden und es werden nicht wie gewohnt Erlöse erzielt. Was auf den ersten Blick paradox erscheint, hat tiefgreifende Auswirkungen auf Verbraucher, Energieversorger und die gesamte Energiewirtschaft.

Was sind negative Strompreise?

Negative Strompreise entstehen, wenn das Angebot an Strom die Nachfrage übersteigt. Dies kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden, wie z.B. eine hohe Einspeisung von erneuerbaren Energien (Wind- und Solarenergie) bei gleichzeitig geringer Nachfrage. Speist man Strom bei negativen Marktpreisen ein, erhält man keine Erlöse, sondern muss dafür bezahlen. Fällt der Preis also unter null, werden Stromproduzenten nicht mehr von den Stromabnehmern bezahlt, sondern letztere bekommen sogar Geld für den „Kauf“ von Energie. In Deutschland spielt die Energiewende eine zentrale Rolle, da der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix stetig wächst. Besonders an Feiertagen oder durch unvorhersehbare Krisensituationen, wie zum Beispiel die COVID-19 Pandemie, kann das Phänomen negative Strompreise auftreten. So kommt es an Tagen mit viel Wind und Sonne ggf. zu einem Überangebot, was wiederum die Preise in den negativen Bereich drückt.

Seit wann und warum gibt es negative Strompreise?

Seit September 2008 sind negative Strompreise am Spotmarkt der Energiebörse EEX erlaubt. Zustande kam dies auf Wunsch vieler Marktteilnehmer, insbesondere im Umfeld der erneuerbaren Energien. Sie hofften, dass konventionelle Kraftwerke ihre Produktion dadurch besser an die Einspeisung von Wind- und Solarenergie anpassen und flexibler gestalten würden. Vor der Zulassung negativer Preise lag der niedrigste Gebotspreis an der Börse bei 0 Euro/MWh was zeigt, dass es aus ökonomischer und ökologischer Sicht eine nachvollziehbare Entscheidung war.

Wie sieht die Entwicklung von negativen Strompreisen in Deutschland aus?

In den letzten Jahren hat die Häufigkeit negativer Strompreise zugenommen. Dies ist vor allem auf den Ausbau der erneuerbaren Energien und die damit verbundene Volatilität der Stromerzeugung zurückzuführen. Während negative Strompreise früher eine Seltenheit waren, treten sie heute häufiger auf, insbesondere an Wochenenden und Feiertagen, wenn die Nachfrage gering (weil Strombedarf durch Industrie, Büros oder Betriebe wegfallen) und die Erzeugung aus erneuerbaren Quellen hoch ist. Das zeigt auch die Grafik zur Entwicklung der jährlichen Stunden mit negativen Strompreisen seit 2015.
Quelle Grafik: 1komma5

Jährliche Stunden mit negativen Strompreisen

Dass negative Strompreise immer häufiger auftreten, liegt hauptsächlich an mangelnder Flexibilität konventioneller Kraftwerke. In den Stunden, in denen die Erzeugung aus Erneuerbaren hoch ist, wird thermische Kapazität weniger benötigt. An diese neue Realität passen sich viele konventionelle Kraftwerke nur sehr langsam an und produzieren nach wie vor wenig preiselastisch bzw. sind nicht in der Lage, ihre Produktion schnell genug an die schwankende Einspeisung aus erneuerbaren Energien anzupassen. Wenn also Phasen hoher Erzeugung aus Erneuerbaren auf eine geringe Nachfrage treffen, fallen die Preise stark.

Die nachfolgende Grafik verdeutlicht durch den Vergleich zweier Jahre ebenfalls nochmal die enorme Entwicklung der Stunden mit negativen Strompreisen.
Quelle Grafik: bhkw-infozentrum.de

Anzahl der negativen Stunden in 2023 und 2024

Wann treten negative Strompreise auf?

Negative Strompreise treten typischerweise in Zeiten geringer Nachfrage und hoher Einspeisung erneuerbarer Energien auf. Besonders windige und gleichzeitig sonnige Tage im Frühjahr und Herbst sind daher prädestiniert für negative Strompreise, da die Erzeugung aus Wind- und Solaranlagen dann überproportional hoch ist. Wenn zusätzlich auch noch der Stromverbrauch, also die Nachfrage an Strom, gering sind, wie es zum Beispiel besonders an Wochenenden, Feiertagen wie Ostern oder Pfingsten oder nachts bzw. in den frühen Morgenstunden der Fall ist, dann bestärkt es das oben erklärte Szenario. Im Juli 2024 gab es in Deutschland 81 Stunden mit negativen Strompreisen, das ist der neuste Rekord (Quelle: bhkw-infozentrum.de). Negative Strompreise sind kein rein deutsches Phänomen. Auch in anderen Ländern mit hohem Anteil erneuerbarer Energien, wie Dänemark oder Spanien, treten sie auf.

Wie können negative Strompreise verhindert werden?  

Auf einem modernen Strommarkt sind negative Strompreise Ausdruck des ganz normalen Marktgeschehens. Um negative Strompreise zu verhindern, sind verschiedene Maßnahmen denkbar:

  • Eine Möglichkeit ist der Ausbau der Netzinfrastruktur, um den Stromtransport von Erzeugungs- zu Verbrauchszentren zu verbessern.
  • Auch die Flexibilisierung der Nachfrage, z.B. durch Lastmanagement und die Nutzung von Smart Grids, kann helfen, das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu verbessern.
  • Die Erhöhung der Flexibilität gilt nicht nur für die Verbraucherseite, sondern auch für die Erzeuger. Flexible Erzeugungsanlagen und Speichertechnologien können dabei unterstützen, die Volatilität der erneuerbaren Energien auszugleichen und negative Strompreise zu vermeiden.
  • Auch wenn wir bereits in einem modernen Strommarkt leben, muss es zur Eindämmung negativer Strompreise eine eher langfristige Umgestaltung unseres Stromsystems geben. Das Stichwort für diese Restrukturierung lautet unter anderem auch Sektorkopplung, also die Verknüpfung der Strom-, Wärme- und Mobilitätssektoren. Sie kann dazu beitragen, negative Strompreise zu reduzieren. Maßnahmen sind hier unter anderem vermehrter grenzüberschreitender Stromhandel, das Abschalten unflexibler konventioneller Kraftwerke, der Aufbau von Speicherkapazitäten, Verbesserungen in den Prognosen hinsichtlich PV- und Wind Einspeisung und schlussendlich auch der Übergang hinsichtlich erneuerbarer Energien weg vom staatlich geförderten, hin zu einem marktwirtschaftlichen Umfeld.

Was sind die Folgen und Kosten von negativen Strompreisen in der Direktvermarktung?

Für Betreibende von Anlagen, die ihren Strom direkt vermarkten, können negative Strompreise zu finanziellen Verlusten führen. In Zeiten von Negativstunden müssen sie unter Umständen Geld zahlen, um ihren Strom ins Netz einspeisen zu dürfen. Dies kann die Rentabilität der Anlagen beeinträchtigen und erfordert eine sorgfältige Planung und Steuerung der Erzeugung. Flexibilitätsoptionen wie die temporäre Abschaltung von Anlagen oder die Nutzung von Batteriespeichern können helfen, die Auswirkungen negativer Preise zu minimieren.

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Lohnt es sich noch in der jetzigen Situation mit Negativstunden PV-Anlagen zu bauen?

Trotz der negativen Strompreise lohnt sich der Bau von Photovoltaikanlagen weiterhin. Die Einspeisevergütung und die Möglichkeit des Eigenverbrauchs machen PV-Anlagen nach wie vor attraktiv. Zudem können moderne PV-Anlagen mit Batteriespeichern kombiniert werden, um überschüssigen Strom zu speichern und bei Bedarf zu nutzen. Dies reduziert die Abhängigkeit von negativen Strompreisen und erhöht die Wirtschaftlichkeit der Anlagen.

Wie wirkt sich die Entwicklung der negativen Strompreise in Deutschland auf Batteriespeicher aus?

Die zunehmende Häufigkeit negativer Strompreise erhöht die Attraktivität von Batteriespeichern. Diese können überschüssigen Strom speichern und zu Zeiten hoher Nachfrage und höherer Preise wieder ins Netz einspeisen. Dadurch können Betreiber von Erzeugungsanlagen ihre Einnahmen optimieren und die negativen Auswirkungen von Strompreis-Schwankungen abfedern. Batteriespeicher tragen zudem zur Netzstabilität bei und unterstützen die Integration erneuerbarer Energien.

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